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Ans Ende der Geschichte

 

 

 

 

Wie alles begann.....

 

Es war wohl die eigentümlichste und folgenreichste Begegnung meines Lebens. Ich wollte in unserem Städtchen herumschauen, ob ich eine fröhliche gelbe Sommerbluse finde. Da sah ich sie stehen – mit der Haltung einer Königin und der Unsicherheit einer Nonne, die noch nie die schützenden Mauern ihres Klosters verlassen hatte. Da stand sie zwischen all den Kleidern und hielt irritiert eine Rock und eine Bluse vor ihren Körper, deren Farben sich aufs schreiendste gegenseitig bissen. Ich hatte Zeit und bin von Natur aus gerne hilfsbereit. Also sprach ich sie mit gedämpfter Stimme an: „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“ Zuerst blickte sich mich erstaunt an und dann lächelte sie dankbar, als hätte ich sie aus grösster Seenot gerettet.

 

„Oh, wie freundlich von Ihnen! Sehen Sie, ich trage meistens dunkle Farben und wollte das einmal ändern. Aber ich merke gerade, dass das gar nicht so einfach ist. Wenn Sie mir behilflich sein könnten, bin ich Ihnen unendlich dankbar.“ Diese Frau musste man einfach lieb haben. Ihre Ausstrahlung war so bezaubernd altjüngferlich und dabei doch so weise, gütig und doch streng und zielgerichtet – eine Frau nach meinem Geschmack.

 

 

Ich winkte einer Verkäuferin, deren Kompetenz ich schon öfters beobachtet hatte und gemeinsam kleideten wir diese aussergewöhnliche Frau in wunderschönen Sommerfarben ein. Ueberglücklich bat mich die Unbekannte, sie auf einen Tee zu begleiten, was mich natürlich sehr freute und ich nahm begeistert an.

 

 

Wir machten es uns in einem kleinen Café gemütlich und plauderten munter miteinander. Sie nannte mir ihren Namen, Minerva, und er passte zu ihr wie für sie geschaffen. Sie wollte alles von mir wissen, erzählte von sich aber noch relativ wenig. Lehrerin sei sie, in so was wie einer Klosterschule (wo sonst!). Und da sei eben dunkle Kleidung üblich und daran hätte sie jetzt endlich mal etwas ändern wollen. Und dann rutschte ihr eine Bemerkung heraus, die mich erstaunt aufhorchen liess: „In Hogwarts gibt es eigentlich nur die Häuserfarben.“

 

Das plötzlich aufflammende Rot ihrer Wangen verrieten mir, dass sie scheinbar zuviel gesagt hatte. Ich drang nicht in sie ein sondern wartete geduldig, ob sie mir über dieses „Hogwarts“, ein Name, den ich noch nie gehört hatte, mehr erzählen wollte.

 

Und es war sicher dieses Schweigen, dass sie ermutigte, mir eine äusserst ungewöhnliche Frage zu stellen: „Glauben Sie an Magie, an Zauberei?“ Als esoterisch vorbelasteter Wassermann halte ich alles für möglich, also bejahte ich grinsend. Doch sie blieb merkwürdig ernst. „Ich mag bei Kleidern ziemlich hilflos wirken, aber was Menschen anbelangt irre ich mich so gut wie nie! Darum möchte ich sie in meine Schule einladen. Ein äusserst, hmrrh, interessanter und aussergewöhnlicher Ort. Können Sie sich frei machen, für eine Woche oder so?“

 

Ich platzte fast vor Neugierde. Intuitiv war mir klar, dass mir eine ungewöhnliche Erfahrung bevorstand. „Nun ja, ich kann problemlos ein paar Termine umlegen und mich frei machen. Wann hätten Sie meinen Besuch denn am liebsten.“ Sie lächelte verschmitzt: „Was halten sie von morgen?“ Ich hörte mich sagen: „Aber sicher, das kann ich richten!“ Obwohl mir überhaupt nicht klar war, wie ich das hinkriegen sollte. „Also, abgemacht, ich hole sie ab.“ Damit erhob sie sich würdevoll mit einem feinen Lächeln um die Lippen, reichte mir die Hand und verliess gemessenen Schrittes das Lokal.

 

Ich blieb noch eine Minute sitzen bis mir die Tragweite meiner Abmachung klar wurde. Hastig zahlte ich die Rechnung und machte mich auf dem Heimweg. Einige Telefonate später war alles geregelt. Dann packte ich eine Tasche mit praktischen Kleidern. In einer Klosterschule waren sexy Dessous und Abendkleider wohl nicht angebracht.

 

Als ich nachts im Bett lag tauchte plötzlich ein Gedanke auf, der mich hellwach aufschiessen liess – dies nette alte Dame, Minerva, hatte ja gar keine Adresse von mir. Oh wie ärgerlich, ich hatte mich wirklich auf sie gefreut. Nun waren die ganzen Umtriebe umsonst gewesen. Schade, eine nicht alltägliche Erfahrung, die ich nun nie machen würde.

 

Mit einem Gefühl des Bedauerns schlief ich ein und wachte etwas niedergeschlagen auf. Doch als ich startklar für den Tag den letzten Schluck Kaffee geschlürft hatte – klopfte es an meiner Verandatüre (ich wohne im Parterre) und zu meinem grössten Erstaunen stand da Minerva – wieder in ihren dunklen Umhang gekleidet und mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.

 

Als ob es die grösste Selbstverständlichkeit sei, dass sie mich trotz fehlender Adresse gefunden hatte, erkundigte sie sich fröhlich: „Na, sind Sie bereit?“ Viel zu verblüfft, um Fragen zu stellen, antworte ich mit einem knappen: „Ja, aber sicher!“ Sie legte ihre Hand auf meinen Arm und fragte mich: „An unserer Schule sprechen sich die Erwachsenen mit Vornamen an, ist das ein Problem für Sie?“ „Oh nein, natürlich nicht. Ich finde es auch viel angenehmer, wenn man vertraulicher miteinander umgeht. Mein Name ist Rita. Und ich freue mich, Ihre – Entschuldigung – deine Kolleginnen kennen zu lernen!“

 

Ich konnte mir ihr verschmitztes Grinsen nicht erklären. Natürlich nahm ich an, dass auf ihrer Schule ausschlisslich noch andere Nonnen unterrichteten. Wie konnte ich ahnen, dass ich damit absolut falsch lag, wunderbar falsch. Sie ging auf meine Bemerkung nicht näher ein sondern meinte nur: „Also, wenn du bereit bist, dann kann es los gehen!“ Ich schnappte mir meine Tasche. Erstaunt nahm ich die Hand, die mir Minerva entgegenhielt – und für einen Augenblick wurde es mir schwarz vor den Augen. Und im nächsten Augenblick stand ich in einer mir absolut fremden Umgeben, die immer noch schelmisch lächelnde Minerva an der Hand.

 

Es verschlug mir wahrhaftig den Atem. Noch vor einer Sekunde stand ich in meinem Wohnzimmer und jetzt blickte ich zu Tode erschrocken nach oben und sah eine Decke, die aussah wie der Himmel an einem wunderschönen Sommertages, die eine riesige Halle überspannte, in der drei enorm grosse Tische und vorne ein etwas kleinerer Tisch quer standen. Es musste sich um ein unglaublich grosses Schloss handeln, wenn es eine so immense Halle beheimaten konnte.

 

Mein Atem ging stossweise und Minerva tätschelte beruhigend meine Hand: „Das, meine Liebe, ist Zauberei! Albus, der grösste Magier aller Zeiten, der sogar die Gesetze Hogwarts verändern kann, hat uns einen Portschlüssel verzaubert, damit wir so rasch als möglich hier her reisen konnten.“ Ich schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. Geduldig erklärte mir Minerva, wo ich mich überhaupt befand, was es mit den Gesetzen Hogwarts auf sich hatte, wer Albus Dumbledore ist und einfach alles, was ich wissen musste. Dabei spazierten wir gemütlich durch die Gänge, wobei mich die sich verschiebenden Treppen und die lebendigen Gemälde doch sehr aus dem Konzept brachten.

 

Aber schneller als erwartet begriff ich, was hier vorgegangen war, wo ich mich befand. Es war einfach unglaublich, faszinierend, betäubend, schlicht überwältigend. Ich brannte darauf, die Schüler und die anderen Lehrer kennen zu lernen. Minerva quittierte meinen Wunsch mit einem grinsenden Lächeln und meinte: „Oh, es ist schon bald Mittag, da wird dein Wunsch ja bald erfüllt werden. Lass uns in die Halle zurück kehren.“

 

Ich hatte total die Orientierung verloren und wähnte mich Stunden vom Speisesaal entfernt, doch um zwei Ecken herum, und wir standen am Ausgangspunkt unserer Exkursion. Das fröhliche Geplapper und Getrampel von Kinderfüssen kündigte die Ankunft der Schüler an. Ich war gespannt, wie junge Zauberer und Hexen wohl aussehen würden. Doch nach all dem Verwirrenden war der Anblick der Schüler geradezu schockierend – die sahen ja ganz normal wie alle Jugendlichen aus! Es wirkt zwar etwas düster, dass alle mit Umhängen bekleidet waren, doch ihr munteres Plaudern und die unkomplizierte, natürliche Art, wie sie die Köstlichkeiten, die wie von Zauberhand auf den Tischen erschienen waren, verschlangen, liess ihre ungewöhnliche Bekleidung schnell vergessen.

 

Doch was dann kam, darauf war ich nicht vorbereitet – niemals in meinem ganzen Leben hätte ich gedacht, dass SO ETWAS geschehen könnte. Es fing relativ, für Hogwart’sche Verhältnisse, harmlos an. Die diversen Lehrer kamen sukzessive an den quer stehenden Tisch, wo ich ihnen von Minerva vorgestellt wurde. Albus, eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, fand es unheimlich anregend, mit einer Muggelfrau auf du und du diskutieren zu können. In kürzester Zeit stellte er mir eine neugierige Frage nach der andern. Ich hatte gar keine Zeit, über einen Geist, der ebenfalls als Lehrer tätig war, zu erschrecken.

 

Doch dann, noch während ich Albus erklärte, wie wir „Muggels“ einen Schokoladenkuchen backen, fühlte ich eine Ausstrahlung, die körperlich wahrnehmbar von einem Menschen ausging, der hinter mir stand. Fast hatte ich Angst, mich um zu drehen. Aber da keiner der anwesenden Personen, inklusive Geist, beunruhigt dreinschaute, wagte ich es doch.

 

Es traf mich wie ein Schlag, mein ganzer Körper begann zu vibrieren, das Herz setzte mindestens zwei Schläge aus, dabei pulsierte mein Blut mit Lichtgeschwindigkeit durch meine Adern. ER stand direkt vor mir und musterte mich mit absichtlicher Gleichgültigkeit. Es war nicht ein Mann, es war DER MANN schlechthin. Seine dunklen Augen legten in Sekundenschnelle Feuer in meinem Herzen, mein ganzer Körper brannte lichterloh. Und mit jedem Atemzug wurde Sauerstoff zugeführt und der Brand erneut angefacht. Meine Sinne begannen zu schwinden. Mir sind noch nie die Sinne geschwunden, ich hatte mir bis zu diesem Augenblick noch nicht einmal vorstellen können, wie sich das anfühlen sollte. Doch jetzt erlebte ich es. Spielball meiner Empfindungen war ich nicht mehr fähig, ein vernünftiges Wort zu formulieren und krächzte nur ein höchst intellektuelles „Hi!“.

 

Oh, Gott, wie schaffte er das nur, eine Augenbraue so hochzuziehen, dass es einem schwummerig wurde. Und dann sprach er – noch nie war ich einer Ohnmacht näher: „Unser Muggel-Gast.“ Es war mir absolut egal, dass seine Stimme schnippisch, ja fast etwas angewidert klang. Er hätte mir das Telefonbuch als Fluch auf den Hals schicken können, das einzige was zählte war, dass seine Stimme meine Sinne erreichten und heillos verwirrten. Aber leider schien er der Meinung zu sein, seinen Teil der mittäglichen Konversation beigetragen zu haben. Er wandte sich ab und setzte sich steif auf seinen Stuhl. Sanft zog Minerva mich von ihm weg nach rechts an den Tisch und bat mich, neben ihr Platz zu nehmen.

 

Sie plauderte auf mich ein, als ob sie meine Verwirrung, das Chaos meiner Gefühle und Gedanken gar nicht wahrnehmen würde. Ich war ihr von Herzen dankbar für ihre Fürsorglichkeit, denn sie war eine viel zu kluge und sensible Frau, um nicht bemerkt zu haben, was mir widerfahren war.

 

Es dauerte sicher eine halbe Stunde, bis ich überhaupt in der Lage war, einen Bissen zu essen. Die Speisen waren unglaublich köstlich, aber mir fehlte die Musse und der nötige Appetit, um sie wirklich zu würdigen.

 

Ich bemühte mich redlich, wieder auf normale Betriebtemperatur zu kommen. Es gelang mir nur bruchstückhaft. Beim Antworten versagte mir noch ab und zu die Stimme, aber Minerva ignorierte dies einfach grosszügig. So vereinzelt wie sie gekommen waren verliessen die Schüler und auch die Lehrer den Speisesaal wieder. Und da ich, um mein Seelenheil besorgt, vermieden hatte, alle zwei Sekunden zu IHM zu schauen, war er plötzlich weg. Ich hätte heulen können. „Du wirst Severus im Laufe der Woche bestimmt noch näher kennen lernen. Er ist ein ganz besonderer Mensch und um seine Person liegen viele Geheimnisse, die noch nicht einmal ich alle kenne.“ Sie lächelte mich gütig an und bewies mir dadurch, dass sie alles wusste, was sich in mir abspielt hatte.

 

Minerva lud mich ein, bei ihrer nächsten Unterrichtsstunde „Verwandlungen“ zu zusehen. Ich nahm dankend an und was mir da geboten wurde, lenkte mich von den labyrinthischen Gedanken um diese verwirrende Begegnung am Mittag ab. Mir stockte immer wieder der Atem vor Begeisterung, was diese Schüler schon alles für Zaubereien hinkriegten. Wie im Flug vergingen zwei Stunden und damit war die Pause am Nachmittag angesagt.

 

Ich stand mit den anderen Lehrern in einem Gang und wir plauderten ungezwungen miteinander. Und dann bog ER um die Ecke, mit schwungvollem, energischen Schritt, Severus Snape. Er steuerte geradewegs auf unsere Gruppe zu und blieb etwa zwei Schritte von mir entfernt stehen.

 


Der dunkle Umhang wehte nach vorn, nach hinten und dann bewegte sich nichts mehr. Alle verstummten im Banne seiner überwältigenden Präsenz. Doch er nahm seine Umgebung überhaupt nicht wahr. Sein Blick senkte sich mit einer glühenden Intensität in meine Augen.


Alles um mich herum verschwand in einem roten Nebel – da waren nur noch seine hypnotischen Augen. Und mit einer keine Frage offen lassenden Entschiedenheit sprach er mich mit seiner heiseren, Wahnsinn verursachenden Stimme an:
„Du!“

 

 

Kein Befehl, keine Bitte – sondern eine gradlinige, schnörkellose Tatsache. Ein Wissen um die letztendliche Wahrheit, die keine Zweifel zulässt. Und darauf gab es nur eine Antwort: „Ja!“ Ich konnte meine Antwort nur hauchen, die Augen weit aufgerissen. Und schon wieder hob er warnend die Augenbraue: „Albus hat mich gebeten, dir den See mit dem Ungeheuer zu zeigen!“ Seine Stimme liess keinen Zweifel an seinem Missfallen, diesen Auftrag erhalten zu haben. Kaum nahm ich das unterdrückte Grinsen der anderen Lehrer wahr, als ich IHM wortlos nach draussen folgte.

 

Severus verschränkte seine Hände auf dem Rücken und ging mit grossen Schritten voraus. Ich musste mich etwas beeilen, um auf seiner Höhe zu bleiben – und das wollte ich unbedingt. Draussen empfing uns wunderschönes, warmes Sommerwetter und der Duft der blühenden Blumen wirkte noch zusätzlich zu der berauschenden Gegenwart Snapes betörend. Meine Sinne schwirrten beinahe unerträglich. Natürlich war er gezwungen worden, sich mit mir abzugeben. Daraus hatte er ja keinen Hehl gemacht, und aus seinem Widerwillen. Umso verblüffter starrte ich ihn an, als er plötzlich stehen blieb und mich knapp informierte: „Es war nicht ganz korrekt, wie ich das vorher formuliert habe. Ich habe Albus gefragt, ob ich dich herumführen soll. Es war nicht seine Bitte.“

 

Ohne weitere Erklärung wandte er sich wieder ab und strebte dem glitzernden See entgegen. Meine Knie wurden weich. Was musste ich denn davon halten? Am Ufer blieb er abrupt stehen. Ich musste einen Bogen schlagen, um nicht mit ihm zusammen zu stossen. Blödsinnige automatische Reaktion. Warum konnte sie nicht dieses eine Mal ausgeschaltet bleiben. Ich wäre so gerne mit ihm zusammen gestossen. Allein der Gedanke, ihm so nahe zu kommen, liess einen Schauer durch meinen Körper jagen. Ich wusste sowie so nicht mehr, ob ich vor Kälte oder Hitze zitterte. Die einzig wahrnehmbare Tatsache war das Zittern.

 

Mit leicht grimmiger Stimme, den Blick auf den See gerichtet, sprach er mich an: „Ich hatte noch nie Gelegenheit, einen Nicht-Zauberer-Menschen, einen Muggel, kennen zu lernen.“ „Oh, etwas ist bei uns gleich wie in der Zaubererwelt, es gib Frauen und Männer. Und ich bin, unbestreitbar, eine Muggel-Frau.“ Woher nahm ich nur den Mut, so mit ihm zu sprechen. Aber seine Blasiertheit hatte den Rebellen in mir geweckt.

 

Distanziert antwortete er: „Das habe ich selbstverständlich bemerkt, aber das ist ja wohl nicht von Belang. Ich möchte etwas über die Lebensweise der Muggel erfahren, über dein Leben.“ Ach du meine Güte, hatte er die letzten drei Worte tatsächlich etwas weicher gesagt oder war das reines Wunschdenken. Seine verschlossene Mine liess eher Letzteres vermuten. Mit knappen, kühlen Worten fragte er nach Details aus „meiner“ Welt und ich erteilte ihm bereitwillig Auskunft.

 

Ich fühlte mich fast zweigeteilt. Ein Teil von mir sank vor Begeisterung hin, schwebte vor Seeligkeit auf Wolke sieben, für nichts Vernünftiges zu gebrauchen. Aber mein rationaler Teil schaffte es auf unerklärliche Weise, ruhig und gelassen mit IHM zu reden. Ich bewunderte diesen Teil von mir ohne Ende. Wie schaffte ich dieses Unmögliche nur. Er fragte nichts wirklich Persönliches. Miteinander redend kehrten wir zum Schloss zurück. Etwa fünf Meter vor der Gruppe, die wir erst vor ein paar Minuten verlassen hatten, blieb er stehen. „Das war sehr informativ. Danke.“ Mit kühler Mine und einer knappen Verbeugung verabschiedete er sich von mir und liess mich einfach stehen.

 

Keiner der Anwesenden sprach das Geschehene an sondern unsere Unterhaltung floss weiter, also ob es die Unterbrechung durch Severus nie gegeben hätte. Fast hätte auch ich daran gezweifelt. Aber mein rotierender Blutkreislauf mahnte mich unüberhörbar an die eben beendete Begegnung.

 

 

Es war die wohl unbeschreiblichste Woche meines Lebens. Minerva quartierte mich bei den Ravenclaws ein und ich schlief bei den älteren Schülerinnen, mit denen ich mich ausgezeichnet verstand und von denen ich Vieles über Hogwarts erfuhr. Doch Severus sah ich nur aus der Ferne, ich hätte heulen können. Aber all das Faszinierende, Zauberhafte und Magische, das ich erlebte, tröstete mich etwas darüber hinweg.

 

Und dann kam der Augenblick des Abschieds. Ich umarmte meine neugewonnenen jungen Freundinnen. Zuletzt umringten mich die Lehrer, die mir in dieser Woche alles gezeigt und mich über eine Million Dinge ausgefragt hatten. Sie drückten mir herzlich die Hand und gaben mir gute Wünsche auf den Weg. Albus liess es sich nicht nehmen, mich herzlich in den Arm zu nehmen und mit seinem Bart zu kitzeln. Sein „Wir werden uns wieder sehen!“ liess mein Herz höher hüpfen, denn ich hatte alle, sogar die Geister, liebgewonnen.

 

Und da sah ich ihn, etwas abseits stehend, wie immer. Severus! Schon wieder setzte mein Herz aus. Meine Beine kribbelten heiss oder kalt, wer weiss das schon. Langsam ging ich auf ihn zu, wie elektrische Wellen strömte es durch meinen Körper, auf und ab, die Knie weich, fast nicht mehr fühlbar. Warum kann ich überhaupt gehen, ohne Knie? In meinem Kopf sirrte es wie zu stramm gezogene Drähte. Was ich jetzt sagte, war entscheidend. Es musste etwas Brillantes, Kluges, Witziges, Bestechendes, Unvergessliches sein, das ihn über den Haufen warf: „Ich geh jetzt!“ Warum tat sich denn jetzt nicht der Boden auf, um mich zu verschlingen?

 

Unsicher und ohne nachzudenken streckte ich ihm meine Hand zum Abschied entgegen. Er rührte sich nicht. Die Beschämung trieb mir das Blut in die Wangen, die glühendheiss erröteten. Obwohl es mir nicht klar war, woher diese Blut kam, denn alles war doch nach unten gefahren, um mich um den Verstand zu bringen. Kein Tröpflein mehr im Gehirn.

 

Schon wollte ich meine Hand gekränkt zurück ziehen, als sich sein Umgang leicht bewegte. Langsam und kontrolliert ergriff er meine Hand und blickte mir in die Augen. Schutzengel, wo seid ihr, Sensenmann, tu dein Werk. Ich will sterben, hier und jetzt. Bitte, bitte, raff mich jetzt dahin, ich bin bereit, kein Zögern, kein Fragen, einfach nur Sterben. Das überleb’ ich nie. Wie heisse Lava strömt mein Blut durch die Adern. Ich löse mich auf, existiere nicht mehr, bitte, bitte, sterben, hier und jetzt. Wie kann ich denn leben, wenn diese Berührung ein Ende findet. Durch das Rauschen in meinen Ohren drang seine betörende Stimme: „Wir sehen uns!“ Oh, meine lieben Schutzengel, nehmt mich auf, lasst mich bei euch sein. In diesem Sturm der Gefühle ertrinken, welch ein gnadenvoller Tod, welch Barmherzigkeit des Schicksals, mich mit diesem Gefühl des Glück im Herzen sterben zu lassen, welche Gunst, von diesem Licht erfüllt gewesen zu sein, sterben, nur noch sterben, niemals mehr leben ohne diesen Rausch.

 

 

Doch bevor ich der Gnade eines schnellen Todes teilhaftig wurde liess er meine Hand los und wandte sich zum Gehen. Ich weiss nicht mehr, wie Minerva mich nach Hause gebracht hatte. Mit einer letzten Umarmung verabschiedete sie sich, nicht ohne mir ein Wiedersehen in Aussicht zu stellen. Da stand ich, wieder in meinem Wohnzimmer. Alles sah aus wie immer, doch nichts war mehr wie vorher. Ich war verloren. Ohne Aussicht auf Rettung oder Heilung. Oh süsser Schmerz, verlass mich nicht. Du bist alles, was ich noch habe. Und eine schemenhafte Erinnerung an Worte, die ER ausgesprochen hatte. „Wir sehen uns.“ Hatte er das tatsächlich gesagt? Wir sehen uns, oh Gott, wir sehen uns, du meine Güte, wir sehen uns, wir sehen uns, wir..................

 

 

Fortsetzung